Die Liebe zum Nächsten meint auch den Fremden
In Levitikus 19,18 steht das berühmte Gebot der Nächstenliebe, das auch Jesus zitiert (Matthäus 5,43): „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Leider wird oft übersehen, dass der Levitikus-Text einige Verse später präzisiert, wer denn mit dem Nächsten gemeint ist – etwa nur jemand aus dem eigenen Volk?
In Levitikus 19,33-34 wird ausdrücklich der Fremde in die Nächstenliebe eingeschlossen:
„Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen.“
Durch den Vergleich mit Israels Aufenthalt in Ägypten und den Verhältnissen, die zum Exodus geführt haben, wird deutlich, wer hier als Fremder gemeint ist: Flüchtlinge, Sklaven, Arbeitsmigranten, die aus wirtschaftlichen Gründen ohne Bindung an das Volk oder seine Religion gekommen sind. All dies haben die Israeliten selbst erfahren. Die Erinnerung an die eigene Geschichte soll Mitgefühl wecken und gleichermaßen rational wie emotional ansprechen.
Doch kann Liebe durch ein Gebot verordnet werden? Es geht beim Liebesgebot weniger um Emotionen als um praktische Hilfe. Wo ein Mensch bedürftig ist, soll ihm, weil er Mensch ist, geholfen werden.
Um in gesellschaftlichen Diskussionen gut mitreden zu können – auch auf der Grundlage von biblischen Werten jenseits von fundamentalistischen Positionen - empfehlen wir zum Vertiefen:
Bibel heute 240 „Die Bibel lesen – wie geht’s?“ (mit Interview zu fundamentalistischer Bibellektüre und Beispielen für hartnäckige Fehldeutungen der Bibel)
https://www.bibelwerk.shop/produkte/die-bibel-lesen-wie-gehts-2002404
Lectio-Divina-Leseprojekt mit Bibeltexten zum Fremdsein
https://www.bibelwerk.shop/produkte/zukunft-auch-fuer-fremde-bibeltexte-vom-fremdsein-5001703