Das Buch Jeremia
Das Jeremiabuch zeigt eine enge Verwobenheit von Leben und Botschaft des Propheten Jeremia. Nach Jer 1,1 stammt Jeremia aus dem Dorf Anatot (wenige Kilometer nordöstlich von Jerusalem). Seine Landsleute wollen ihm sein Auftreten als Prophet ausreden und schrecken selbst vor Mordplänen nicht zurück. 40 Jahre lang hat Jeremia sein Amt als Prophet ausgeübt. Jeremia hat die Eroberung Jerusalems (586 v. Chr.) durch den neubabylonischen König Nebukadnezzar selbst erfahren. Jeremia wird daraufhin befreit und lebt weiterhin im Land Juda, das unter dem Statthalter Gedalja verwaltet wird. Nach der Ermordung Gedaljas fliehen Jeremia und sein Schreiber Baruch mit einem großen Teil der Restbevölkerung nach Ägypten aus Angst vor einer möglichen Strafaktion der Babylonier. In Ägypten verliert sich dann die Spur des Propheten.
Aufbau
Das Jeremiabuch liegt in einer hebräischen und griechischen Textgestalt (Septuaginta) vor. Beide Buchfassungen unterscheiden sich nicht nur vom sprachlichen Umfang (die hebräische Buchfassung ist um ein Siebtel länger als die griechische), sondern auch in der kompositorischen Anordnung der Einzeltexte.
Die hebräische Buchfassung besteht aus drei Teilen: Auf den Buchbeginn (1,1-3) und das Berufungskapitel (1,4-19) folgen bis Jer 25 vorwiegend poetisch gehaltene Worte des Propheten gegen Israel und Juda (Jerusalem). Am Ende des ersten Teils stehen in 25,15-38 Unheilsworte gegen die Fremdvölker. Der zweite Teil (Jer 26-45) enthält vor allem Erzählungen über den Propheten Jeremia. Der dritte Teil (Jer 46-51), der schon mit 25,15-38 angekündigt wird, enthält die Fremdvölkersprüche. Jer 52 bildet abschließend einen historischen Anhang (vgl. 2 Kön 24,18-25,30).
Im Unterschied zur hebräischen Buchfassung folgen in der griechischen Buchfassung die Fremdvölkersprüche direkt auf Jer 25,13 (erster Teil).
Entstehung
Das Jeremiabuch hat einen langen und komplexen Entstehungsprozess hinter sich. Dies liegt u.a. auch daran, dass die Eroberung und Zerstörung Jerusalems immer wieder nach Neuinterpretationen verlangte. Die Bibelwissenschaft versucht diesen Entstehungsprozess mit unterschiedlichen Modellen zu erklären (u.a. Quellenmodell, redaktionsgeschichtliches Modell, Modell der kleinräumigen Fortschreibungen).
Inhalt
Das Jeremiabuch ist durch die Polarität von Gericht und Heil geprägt. Als Grund für die Eroberung und Zerstörung Jerusalems mit seinem Tempel wird die Fremdgötterverehrung angegeben, die mit einem Verlassen JHWHs und dem Vergessen seiner Weisung (Tora) verbunden ist. Die Hinwendung des Volkes zu den trügerischen „Nichtsen“ führt dazu, dass auch das zwischenmenschliche Zusammenleben von Lug und Trug geprägt ist. Die Solidargemeinschaft wird somit aufgehoben. Dies zeigen vor allem die Verstöße gegen die von JHWHs Weisung geforderte soziale Gerechtigkeit.
Da das Gericht zeitlich begrenzt ist, ergibt sich auch eine heilsame Zukunft für Israel / Juda jenseits des Babylonischen Exils. Dies ist einerseits mit der Verheißung eines davidischen Sprosses mit dem Namen „JHWH ist unsere Gerechtigkeit“ verbunden (vgl. Jer 33,15-16), andererseits wird die Weisung JHWHs (Tora) nicht mehr auf eine Schriftrolle, sondern auf das Herz des geeinten Israel geschrieben (31,33). Eine damit verbundene Herzensänderung hat das Erkennen JHWHs zur Folge (31,34), so dass auch der Bund mit JHWH nicht mehr wie bisher gebrochen werden kann.
Jeremia wird aufgrund seiner Gerichtsdrohungen und seiner Kritik an den Institutionen angefeindet und verfolgt. Dies spiegelt sich in den „Konfessionen“ (Bekenntnissen) des Jeremia wider (vgl. 11,18-12,6; 15,10-21; 17,12-18; 18,19-23; 20,7-18). Ob die Konfessionen auf den historischen Jeremia zurückgehen, oder ob diese Texte aus späterer Zeit (nachexilisch) den Propheten Jeremia als beispielhaftes Vorbild für im Glauben angefochtene Menschen darstellen wollen, ist in der Forschung umstritten.