Das Buch Micha

Der Prophet Micha (Vollform des hebräischen Namens: Michaja = „Wer ist wie JHWH?“) stammte aus der ländlichen Ortschaft Moreschet-Gat (ca. 35 Kilometer südwestlich von Jerusalem) und war dort Sippen- oder Ortsältester („Bürgermeister“). Er wirkte im ausgehenden 8. Jh. v. Chr. unter den judäischen Königen Jotam (739-734 v. Chr.), Ahas (734-728 v. Chr.) und Hiskija (728-699 v. Chr.) und war somit ein jüngerer Zeitgenosse der Propheten Amos, Hosea und Jesaja. Im Buch Jeremia wird die Ankündigung der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch Micha (Mi 3,12) zitiert (vgl. Jer 26,18).

Aufbau

Das Michabuch lässt sich in seiner Endgestalt nach Ausklammerung der Überschrift Mi 1,1 in vier Teile untergliedern: 1,2-3,12 (Unheil); 4,1-5,14 (Heil); 6,1-7,7 (Unheil); 7,8-20 (Heil). Die vier Teile haben sprachlich und theologisch ihr je eigenes Profil. Durch die zweifache Abfolge „Unheil-Heil“ und durch Stichwort- und Motivverbindungen ergibt sich sogar eine Zweiteilung in 1,2-5,14 und 6,1-7,20.

Entstehung

Der älteste Teil des Michabuchs findet sich in Mi 1-3, wobei nach der neuesten Forschung davon auszugehen ist, dass selbst hier keine bloße Zusammenstellung von authentischen Michaworten vorliegt, sondern die Anliegen des historischen Micha durch einen Schüler- oder Sympathisantenkreis literarisch verarbeitet wurden. Diese so genannte „Micha-Denkschrift“ aus dem 7. Jh. v. Chr. wurde nach der Katastrophe von 586 v. Chr. durch 4,8-5,3 ergänzt und frühnachexilisch zu der Komposition Mi 1-5 erweitert. Mitte des 5. Jh.s v. Chr. kam die Komposition 6,1-7,7 hinzu. Im Rahmen der Endredaktion am Ende der persischen Zeit bzw. zu Beginn des hellenistischen Zeitalters (4. / 3. Jh. v. Chr.) wird der Schluss des Michabuchs Mi 7,8-20 erstellt. Entsprechend der Abfolge „Unheil-Heil“ zeigt sich für beide Teile (1,2-5,14 und 6,1-7,20), dass die Heilsperspektive jeweils eine Aktualisierung der älteren Unheilsperspektive darstellt.
 
Inhalt

Die Unheilsworte in Mi 1-3 und 6-7 beinhalten eine massive Staats- und Gesellschaftskritik, die nicht nur die Verarmung breiter Kreise, sondern vor allem auch die rücksichtslose Heranziehung von Kleinbauern und Handwerkern zur staatlichen Fronarbeit thematisiert. Zu den kritisierten gesellschaftlichen Verwerfungen gehören auch die Korruption des Beamtenapparates und der Justiz sowie die Wirtschaftskriminalität reicher Grundbesitzer. Dabei ist die Schuldverstrickung so tief verankert, dass an eine Umkehr nicht mehr zu denken ist. Insofern kündigt Micha das Gericht JHWHs mit drastischen Worten an.
Die Heilsworte kreisen um den Zion und um Jerusalem und damit um den Ort, an dem JHWH mit seiner Liebe und Gerechtigkeit gegenwärtig ist. Als Ort der gegenwärtigen Gerechtigkeit JHWHs üben der Zion bzw. Jerusalem eine große Anziehungskraft auf die Völker aus, die deshalb ihre „Schwerter zu Pflugscharen“ und ihre „Lanzen zu Winzermessern“ umschmieden (vgl. Mi 4,1-4; das Motiv wird später in Jes 2,2-5 aufgenommen). Die in Mi 4-5 ausformulierte messianische Vision, die nicht Jerusalem, sondern Betlehem zur Geburtsstadt des messianischen Friedensherrschers werden lässt, steht in gewolltem Kontrast zum Versagen der politischen Amtsträger in Jerusalem. Diese Vision wird in Mt 2 aufgenommen, um die Geburt des Messias Jesus zu deuten.