Das Buch Obadja

Das Buch Obadja ist mit seinen 21 Versen das kürzeste Buch des Alten Testaments. Von dem Propheten Obadja ist außer dem Namen nichts bekannt.

Aufbau

Nach der Überschrift „Vision Obadjas“ (V. 1a) teilt sich das Buch in zwei Teile: V. 1b-15 stellt eine Gerichtsankündigung gegen Edom (südöstlich von Juda gelegener Staat) dar. Auf eine Strafankündigung (V. 1b-9) folgt ein anklagender Schuldaufweis (V.10-14), der in V. 15 mit einer Gerichtsansage, die einen Vergeltungsspruch enthält, gipfelt.
V. 16-21 schildert das Gericht JHWHs an alle Völker, Edom eingeschlossen. Edom wird durch Gesamt-Israel (Nord- und Südstaat) vernichtet (V. 18). Das im zweiten Teil geschilderte Völkergericht bildet die Voraussetzung für die Heilsperspektive für Zion und Gesamt-Israel. Der zweite Teil gipfelt daher im Weltkönigtum JHWHs vom Zion her (V. 21).

Entstehung

Auch wenn das Obadjabuch durchgehend das Verhältnis Israel-Edom im Zusammenhang mit den anderen Völkern behandelt, so geht dieses Buch nicht auf einen Autor zurück, sondern lässt drei Wachstumsstufen im Rahmen eines kontinuierlichen Fortschreibungsprozesses erkennen: Ausgangspunkt bildet die Spruchsammlung V. 2-14.15b, die harte Worte gegen Edom enhält. Aufgrund sprachlicher Details wird angenommen, dass diese Komposition in zeitlicher Nähe zur Eroberung Jerusalems steht und daher nach 586 v. Chr. anzusetzen ist. Mit V. 15a.16-18 liegt eine erste Fortschreibung vor. In ihr dient der Untergang von Edom als Beispiel für das Gericht JHWHs an alle Völker. Die damit verbundene Heilsperspektive für Gesamt-Israel wird dann in der zweiten Fortschreibung (V. 19-21) inhaltlich entfaltet. Während die erste Fortschreibung gegen Ende des 5. Jh.s v. Chr. anzusetzen ist, erfolgte die zweite Fortschreibung wohl im 4. oder 3. Jh. v. Chr.
Die Entstehungsgeschichte des Obadjabuchs spiegelt sich auch in den literarischen Bezügen zu anderen Prophetenbüchern (vor allem zum Zwölfprophetenbuch und Jeremiabuch) wider.

Inhalt

Im Mittelpunkt des Obadjabuchs steht die Frage: Wie passt die Leidensgeschichte Israels, die mit der Katastrophe von 586 v. Chr. beginnt, mit der Königsherrschaft JHWHs zusammen? Diese Frage wird im Obadjabuch u.a. am Bruderkonflikt Israel-Edom (vgl. die Jakob-Esau-Erzählungen in Genesis) reflektiert und mit Hilfe des Verhältnisses Israel-Völker einer Antwort zugeführt: Das göttliche Gericht trifft nicht nur Israel, sondern alle Völker (beispielhaft an Edom gezeigt). Im Zusammenhang mit diesem Völkergericht zeigt sich aber, dass JHWHs Bundeswille gegenüber Israel größer ist als sein Gerichtswille. So ist mit dem Völkergericht zugleich eine Heilsperspektive für Gesamt-Israel verbunden, die in der endzeitlichen Königsherrschaft JHWHs über die ganze Welt gipfelt (V. 21).