Der Brief an die Römer
Die Paulinischen Briefe
Im Neuen Testament werden 14 Briefe dem Apostel Paulus zugeschrieben, wobei eine explizite Verfasserangabe des Paulus im Hebräerbrief fehlt. Die heutige Forschung geht davon aus, dass Eph, Kol, 2 Thess, 1 und 2 Tim, Tit und Hebr nicht direkt vom Apostel Paulus stammen, sondern von Schülern des Apostels verfasst wurden. Im Unterschied dazu haben Röm, 1 und 2 Kor, Gal, Phil, 1 Thess und Phlm den Apostel Paulus zum Verfasser.
Paulus schreibt Briefe, um Glaubensfragen zu klären, Probleme im Gemeindeleben zu lösen, seelsorgliche Anweisungen zu geben und um zu trösten, zu stärken und zu ermahnen. Neben seinen persönlichen Besuchen und der Sendung von Boten bilden die Briefe einen wichtigen Baustein in der Missionsarbeit des Paulus.
Der Brief an die Römer
Der Römerbrief gilt als der wichtigste Paulusbrief. Paulus legt in diesem Brief in dichter und überlegter Sprache Zeugnis über sein Verständnis des Evangeliums Jesu Christi ab. Mit dem Römerbrief liegt erstmals in Briefform eine systematische Erschließung der frühchristlichen Theologie vor. Wegen seines hohen theologischen Gewichts setzt daher auch die Sammlung der Paulusbriefe mit dem Römerbrief ein.
Aufbau
Abgesehen vom Briefrahmen (Röm 1,1-17; 15,14-16,23), gliedert sich der Römerbrief in zwei große Abschnitte: Röm 1,18-11,36 und Röm 12,1-15,13.
Der abschließende Hymnus Röm 16,25-27 ist zusammen mit Röm 16,24 später angefügt worden. Nachträgliche Ergänzungen liegen auch mit Röm 7,25b und Röm 16,17-20 vor. Umstritten ist, ob Röm 16,1-16 ursprünglicher Bestandteil des Römerbriefs war.
Im Einzelnen gliedert sich der Römerbrief wie folgt:
Röm 1,1-7 (Anschrift mit Gruß)
Röm 1,8-17 (Dankgebet und Thema des Briefs)
Röm 1,18-3,20 (die Universalität der Sünde)
Röm 3,21-5,21 (die Universalität des Heils)
Röm 6,1-8,39 (das Christsein als neue Existenz)
Röm 9,1-11,36 (Gottes Gerechtigkeit und Israels Existenz)
Röm 12,1-15,13 (das Leben in der christlichen Gemeinde)
Röm 15,14-16,27 (Briefschluss)
Entstehung
Paulus schreibt den Römerbrief an einem Wendepunkt seiner Missionstätigkeit. Seine Tätigkeit als Missionar sieht er im Osten des Römischen Reichs als beendet an. Er steht vor seiner Reise nach Jerusalem, um dort die Kollekte, die die Gemeinden in Mazedonien und Achaia für die Armen der christlichen Urgemeinde in Jerusalem gesammelt haben, abzuliefern. Danach will er seine Missionstätigkeit im Westen des Römischen Reichs (Spanien) beginnen. Auf dem Weg dorthin will er die christliche Gemeinde in Rom besuchen, die nicht durch ihn gegründet wurde und die ihm völlig unbekannt ist.
Der Brief an die Römer ist wahrscheinlich in Korinth im Jahr 56 n. Chr. verfasst worden.
Inhalt
Da Paulus die christliche Gemeinde in Rom, die wahrscheinlich aus mehreren Hausgemeinden bestand, weder gegründet noch zuvor besucht hat, stellt er sich in seinem Brief nicht nur persönlich, sondern auch ausführlich sein Verständnis der Botschaft Jesu Christi vor. Dies geschieht nicht zuletzt auch deshalb, um vor seinem Besuch in Rom mögliche Missverständnisse, die über ihn und seine Lehre kursieren, auszuräumen.
Im ersten Hauptteil (Röm 1,18-11,36) entfaltet Paulus sein Verständnis von Gottes Gerechtigkeit, die in Jesus Christus zu allen Menschen, also auch zu den Heiden, gekommen ist. Im Kreuzestod Christi hat sich Gott allen Menschen, die unter der Sünde standen, zugewandt. Darin erweist er sich selbst als gerecht und spricht die Menschen, die aus dem Glauben an Jesus Christus leben, gerecht. Daher birgt das Evangelium eine Kraft Gottes für jeden in sich, der glaubt. In diesem Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbar aus Glauben zum Glauben.
Als Getaufter steht der Christ nicht mehr unter der Macht des Todes, der Sünde und des Gesetzes, sondern unter der Gnade Gottes, die ihn zum Dienst für die Gerechtigkeit befreit. Indem sich der Christ vom Geist Gottes leiten lässt, wird er zu einem Kind Gottes, das auf Hoffnung hin existiert.
In seinem Brief bezeugt Paulus, dass Israel weiterhin das Gottesvolk ist, obwohl es in Jesus nicht den verheißenen Messias erkennt. Gott hebt seinen Bund mit Israel samt den damit verbundenen Verheißungen nicht auf. Er verstößt nicht Israel zugunsten der Heidenchristen. Daher haben diese auch keinen Grund zur Überheblichkeit gegenüber Israel.
Im zweiten Hauptteil (Röm 12,1-15,13) greift Paulus das Bild vom Leib mit den vielen Gliedern auf und mahnt zu einem gleichberechtigten Miteinander der verschiedenen Gnadengaben. Im Mittelpunkt des Gemeindelebens und als Grundlage für die Außenkontakte soll das Gebot der Nächstenliebe gelten.
Aus unserer Zeitschrift "Bibel und Kirche"
Vollendung der Auslegung - Anmerkungen zur Übersetzung des Römerbriefs
von Thomas Schumacher
Der Römerbrief im Wechselspiel von philologischer Entscheidung und theologischer Aussage
von Thomas Schumacher